Rafraîchissez votre peau

Ich und meine Wut - Warum sie mich nicht falsch macht – sondern endlich fühlend.
Ich habe lange geglaubt, dass Wut kein Gefühl für mich ist. Zu laut. Zu hässlich. Zu viel. Ich wollte nicht die sein, die schreit, die vorwurfsvoll ist, die übertreibt. Also habe ich sie runtergeschluckt.
Jahrelang. Ich habe sie still gemacht. In mir. Und nach außen gesagt: „Passt schon.“
Aber es hat nicht gepasst. Ganz und gar nicht. Und heute spüre ich: Ich bin wütend.
Nicht, weil ich ein schlechter Mensch bin. Nicht, weil ich nicht verzeihen kann. Sondern weil ich endlich fühle, was war.
Ich bin wütend auf mich, weil ich Dinge übersehen habe und weil ich mein eigenes Bauchgefühl so oft ignoriert habe. Weil ich gespürt habe, dass etwas nicht stimmt – und trotzdem geblieben bin.
Ich bin wütend, weil ich wusste, dass er nicht ehrlich war. Nicht einmal. Nicht nur mit einer Frau.
Immer wieder. Und ich? Ich hab’s gewusst. Ich hab’s gespürt. Und ich hab trotzdem die Augen zugemacht. Ich hab mich selbst überhört. Und dafür bin ich heute wütend.
Ich bin auch wütend, weil ich ihn immer wieder in Schutz genommen habe. Vor anderen. Vor mir.
Ich hab ihn entschuldigt, erklärt, verteidigt. „Er meint es nicht so.“ „Er hat eben sein Päckchen.“ „Es ist nicht alles schlecht.“ Ich hab ihn durch meine Worte weicher gemacht – während ich selbst immer härter wurde, um das alles auszuhalten.
Ich habe Rechtfertigungen gesucht – für ihn, für uns, für alles. Und ich habe angefangen, mich selbst zu erklären. Dauernd. Warum ich bleibe. Warum ich noch Hoffnung habe. Warum ich nicht gehe.
Aber die Wahrheit ist: Ich musste mich nicht erklären. Nicht für mein Hoffen, nicht für meine Liebe. Und trotzdem bin ich heute wütend, dass ich genau das getan habe, weil ich dachte, ich müsste.
Vielleicht war es mein Schutz. Ja. Aber im Rückblick weiß ich: Ich hätte mich selbst schützen sollen.
Früher. Klarer. Ehrlicher.
Ich bin auch wütend, weil ich so viel versucht habe, es „richtig“ zu machen. Zu verstehen. Zu halten.
Ich war loyal – bis zur Selbstaufgabe. Ich war stark – bis zur inneren Leere. Ich habe verziehen – ohne dass sich je etwas verändert hat.
Und heute weiß ich: Meine Wut ist nicht gegen ihn. Nicht mehr. Sie ist für mich.Für das, was ich nicht mehr übersehe. Für die Stimme in mir, die wieder sprechen darf. Für die Klarheit, die bleibt.
Ich höre meiner Wut heute zu. Nicht, um sie groß werden zu lassen. Sondern um mich selbst endlich wieder zu sehen. Sie erzählt mir, wo ich mich selbst vergessen habe. Wo ich mich verbogen, verdreht, verraten habe – aus Liebe, aus Angst, aus alten Mustern.
Sie ist nicht hässlich. Sie ist ehrlich. Und sie hilft mir, mich zu erinnern.
Wenn du das liest und spürst: „Ja, da ist auch etwas in mir, das ich nicht mehr länger wegdrücken will“ – dann will ich dir sagen:
Wut macht dich nicht falsch, sie macht dich echt.
Und du darfst sie fühlen, du darfst sie ernst nehmen und du darfst dich selbst zurückholen.
Stück für Stück, in deiner Zeit, in deiner Wahrheit, in deiner Kraft.